Mit dem Trabi nach Nizza

Mit dem Trabant nach Nizza

2005 redete ich mir ein, wieder einmal ein Ostauto zu brauchen. Die Wende war 15 Jahre her und der Frust und die negativen Erinnerungen über die alten Karren verflogen.
Die Suche endete mit einem Trabant 601S Universal aus dem Februar 1990. Dieser war noch weitgehend im Original erhalten und von der Substanz erhaltenswert.
Nach zwei Jahren intensiver technischer Zuwendung reifte der Gedanke: Mit dem Trabant über den Großglockner an die
Côte d'Azur nach Nizza zu fahren.

Der Gedanke war geboren. Es wurde eine Auswahl getroffen, was an Ersatzteilen und Notfall-Equipment für ungeplante Reiseunterbrechungen mitgenommen werden soll. Meine Vorgabe war dabei, die Rücksitzbank und die Hutablage sollten frei bleiben.  Auf den ersten Blick sollte nicht jeder sehen, wie vollgepackt das Auto ist.
Anlasser, Keilriemen, Lichtmaschine, Zündspulen, Kerzen und viele, viele Kleinteile fanden mit einem kleinen Zelt, zwei Luftmatratzen, zwei Schlafsäcken und andere Campingutensilien Platz unter der Rücksitzbank, den Vordersitzen und der Reserveradabdeckung. Den restlichen Platz benötigten wir für Gepäck für 4 Wochen und ausreichend Vorrat an Zweitaktöl sowie Werkzeug.
Empfehlenswert ist es auf jeden Fall, wenn man fast 1,90 Meter groß ist und auch sonst etwas mehr körperlichen Umfang mitbringt, eine Sitzschienenverlängerung auf einer solchen Tour einzubauen.

An einem warmen Juli Abend ging es los. Die erste Etappe von Berlin nach München bewältigten wir mit dem Autoreisezug. Den gab es damals noch. Mit dem Trabant auf deutschen Autobahnen, dass macht keinen Spaß. Am nächsten Morgen hüllten wir nach einer sehr angenehmen Nacht im 1. Klasse Schlafabteil und einer warmen Dusche, den Münchner Bahnsteig in blauen Wolken. Die Bayern amüsierte es, sie winkten und freuten sich über den kleinen Stinker aus Berlin.

Von München aus führte die Fahrt  zu Freunden nach Brückmühl ins Mangfalltal in der Nähe von Rosenheim. Am nächsten Morgen stand die Fahrt nach Zell am See an. Auch hier kamen wie bei Freunden unter, die extra ihren Besucherparkplatz für uns frei hielten. In der Nähe von Zell am See befindet sich der Stausee in Kaprun, dem wir einen Besuch abstatteten. Auch einige kleiner Automuseen lassen sich in der Gegend gut anschauen. Wenn man bei diesen mit einem Trabant vorfährt, hat man sofort gute Karten und Gespräche garantiert. Bei jedem Tankstop wird man intensiv beobachtet und in geschichtliche Anekdoten verwickelt. Die Zeit ist völlig entspannt und macht viel Spaß. Leider ist der Trabant nicht unbedingt die erste Wahl für Fahrten durch das Hochgebirge. Noch dazu beschränkten wir uns meistens auf Landstraßen um kein Hindernis auf der Autobahn zu werden.

Nun war es soweit. Die Großglockner Hochalpenstraße lag vor uns. Das wollte ich ja schon immer mal mit dem Trabbi machen – jetzt sollte es sein. In der Planungsphase sah ich uns mit dem 2. und 3. Gang die Straße bis hoch zur Edelweißspitze und alle der 36 Keren bezwingen. Das war eine Wunschvorstellung. Der schwer beladene kleine „Zwickauer Lumpenpreßling“ kämpfe sich zum Schluß mit dem 1. Gang die Straße Richtung Himmel. Sogar der ein oder andere Radfahrer hat uns überholt. Den Aufstieg zur Edelweißspitze erledigten wir auch im 1. Gang. Das kreischende Motorengeräusch lockte viele Schaulustige an. Die verfolgten begeistert, wie sich der Trabbi die steile Straße nach ober schraubte.

Bergauf bereitete uns keine großen Probleme. Durch die Zwangskühlungen des Axialgebläses waren auch 35°C im Schatten mehr eine Tortur für die Insassen als für die „Kraft der zwei Kerzen“. Nur bergab war einen Qual für das Auto und seinen Fahrer. 600cm³ Hubraum, noch dazu als Zweitakter mit Gemischschmierung sind für dynamisches Motorbremsen völlig unbrauchbar. Auf die Hilfe der 472 cm² Trommelbremsflächen sollte man nicht lange bauen. Nach maximal 10 km Bergabfahrt war mindestens eine Stunde Pause nötig um der überhitzten Bremse wieder Verzögerung zuzumuten. Das Bremsfading der kleinen Trommelbremsen zwingt einen sehr vorausschauend zu fahren und es keinesfalls zu übertreiben. 60 km/h sind schon fast freier Fall!

Mit qualmenden Radkästen erreichten wir Heiligenblut und kamen vor der Wand der Parktasche grade so zum stehen. Kein wirklich schönes Gefühl. Punkte für Zwangspausen, um der Bremse Erholung zukommen zu lassen, waren nicht immer einfach zu finden. Meist war das Gefälle so stark, dass das Einlegen eines Gangs nicht den gewünschten Erfolg brachte. Das Anziehen der Handbremse war nicht möglich, da sich die abkühlenden Bremstrommeln verzogen hätten. Alles hatten wir dabei. Nur keine Vorlegekeile. Es fand sich aber immer ein freundlicher Einheimischer, der uns ein paar Scheide seines Kaminholzes für die Pausen überlies. Leider schmolzen die Radnabenkappen durch die Hitze. Ich hätte sie vorher abbauen sollen. So tropften sie nun wie überbackener Käse von der Felge.

Bei knapp 40°C und durch das Glaskippdach erlittenen Sonnenbrand auf dem Kopf überquerten wir die italienische Grenze. Um etwas Zeit gut zu machen nutzen wir die tollen italienischen Autobahnen. Mit hochoktanischem Benzin im Tank flog der Trabbi mit konstant 120 km/h über die glatte Bahn und wurde von den anderen Autofahrern und ihren Mitfahrern fotografiert, gefilmt und mit Daumen hoch bewunken. Natürlich soff der kleine Zweitakter den Sprit nur so, bei solchen Geschwindigkeiten. An einer Autobahntakstelle öffnete ich die Haube und war richtig erschrocken. Aus dem Gebläse quoll schwarzer Rauch und es stank sehr verbrannt. Nun war Guter Rat teuer. Habe ich es doch übertrieben? War was durchgebrannt? Kopf- oder Zylinderfußdichtung? Der Rauch wurde weniger. Wir tankten voll, mischten das Öl hinzu und versuchten zu starten. Das Auto sprang problemlos an und hörte sich auch gut an und lief weiter wie der Teufel.

Sicher verbrannte durch die hohen Drehzahl und die damit auftretenden Temperaturen auf der Autobahn und eine auf 42 °C gestiegene Außentemperatur der Dreck der letzen Jahrzehnte, der sich am Motor angesammelt hatte. Beim nächten Tanken qualmte nichts mehr und er lief und lief dem Süden entgegen.

Trotz originalem Glaskippdach und geöffneten Fenstern zeigte das Innenthermometer über 50°C an. Es machte langsam keinen wirklichen Spaß mehr bei diesen Temperaturen.

Nächste Abfahrt: Gardasee. Trabant unter Palmen.

Leider ohne Zimmerbuchung in der Hauptsession. Doch die Touristeninformation konnte helfen. Schaut man über das Dach des links vom Trabant stehenden silbernen Renaults, erkennt man einen weißen Balkon an dem roten Gebäude. Der gehörte zu einem großen Doppelzimmer. Blick direkt auf den See – Glück muß der Mensch haben! Der Trabbi knatterte sich zum Tor des Hotels direkt durch die Fußgängerzone. Er konnte sich auf dem Innenhof erholen und sich von anderen Hotelgästen bewundern lassen.


Jetzt änderten wir unsere Reiseplanung. Bei Mittler Weile 43°C im Schatten begruben wir den Plan weiter bis nach Nizza zu fahren und blieben eine Woche in Torbole am Gardasee. Der Trabbi bekam seine wohlverdiente Pause. Bei kleineren Ausflügen vom Hotel in die umliegende Gegend, mußten wir uns zur besten Frühstückszeit durch die mit Bistros und Cafés gesäumte Fußgängerzone zur Hauptstraße vorarbeiten. Nun ja, der Trabbi war morgens halt kalt, wenn ich ehrlich bin, schob ich den Choke auch erst rein, nach dem wir auf der Hauptstraße waren.
Die „Frühstückenden“ verschwanden im blauen Zweitaktqualm und keiner meckerte. Oft hielten wir zwischen durch immer noch mal an, weil die Menschen ein Foto machen wollten.
Nach dem Umrunden des Sees und einem Venedigbesuch machten wir uns auf den Rückweg der über Bayern und Thüringen wieder nach Berlin führen sollte.

In der Hoffnung, die Steigungen und Gefälle auf der Autobahn seien nicht ganz so extrem, wie auf den Landstraßen, wählten wir die Strecke über den Brenner. Auf den langen Gefällestrecken ließ ich den Trabant einfach rollen. Nicht immer entsprach die Geschwindigkeit den Vorgaben. Ab 100 km/h bremste ich das Auto auf etwa 60 km/h runter und der Rollvorgang begann von Neuem. Einige LKW’s sah man so öfter.
Noch immer Pannen- und Verlustfrei erreichten wir Dinkelsbühl und stellten unseren treuen Zwickauer Begleiter bei Freunden in die Garage.
Von Mittelfranken führte unser Weg nun nach Thüringen, wo wir bei meinen Schwiegereltern Station machten und alle Fünfe grade seinließen. Wir berichteten von unserer etwas bekloppten Tour und schauten uns viele Bilder an. Die letzte Runde, bevor es nach Hause in die Hauptstadt zurück gehen sollte, war ein Abstecher ins August Horch Museum nach Zwickau.

Dies gefiel dem Trabbi gar nicht. Morgens in Thüringen sprang er schon sehr verhalten an. Er ahnt wohl, es sollte in seine Geburtsstadt gehen. Ich weiß, der Kombi kam aus Meerane, doch das passt besser so in die Geschichte…. Auf dem Weg nach Zwickau, setzte ab und zu ein Zylinder aus.
Glücklicher Weise habe ich die Ersatzteile nicht in Thüringen gelassen. Kerzenstecker angefaßt, der 1.war heiß der 2. Nur warm. Na toll! Was soll beim Trabant schon großartig sein? Kerze und Kerzenstecker des 2. Zylinders ersetzt und weiter gefahren. Kurze Zeit später und bereits in Zwickau angekommen, dasselbe Spiel. Ich kam den Berg nicht hoch und der 2. Zylinder war wieder nur warm. Was es nicht war wußte ich nun. Kurzer Hand erfolglos die Zündleitung ersetzt und zu guter Letzt die Zündspule.

Da beide Spulen gleichmäßig warm waren, hätte ich nicht vermutet, dass das das die Ursache war, das Auto lief wieder problemlos.

Das August Horch Museum war erreicht…. Alles in Allem, war es eine tolle Tour und außer einer Zündspule lief der kleine Stinker völlig ohne Probleme zu machen. Über Dresden und einem Besuch des damaligen Zeitreise DDR Museum, was es heute leider nicht mehr gibt, sind wir wieder gut in Berlin angekommen.

Tourjahr: 2007

Text, Bilder und Fahrer: Martin Wundrack


Trabi extrem
24,50 €*
Poster Trabant P50
5,00 €*